text by Eva Liegl 2011    

 

Erotik, Inversion und PartnerGarnelen     

 

Das Künstlerpaar Larissa Tomassetti und Frank Kropiunik Larissa Tomassetti (geb. 1972) fällt in die Kategorie „umtriebige Kunstschaffende“. Nach ihrem mit Auszeichnung abgeschlossenen Grafik- und Malerei-Studium am Salzburger Mozarteum lebte sie eine Zeitlang u.a. in Rom, bevor sie wieder in ihren Heimatort zurückkehrte. 10 Jahre lang (2000-2010) verantwortete sie das Programm der Galerie Gmünd, mit hohem Qualitätsanspruch trotz weniger hohen Budgets. Unter den jungen Künstlerinnen und Künstlern, die sie dort ausstellte, waren Julie Hayward und Armin Guerino. Seit 2009 leitet sie die Galerie im Salamanca-Keller des Spittaler Schlosses Porcia. Tomassetti engagierte sich im Kunstverein Kärnten und war die Stellvertreterin von Giselbert Hoke im Kärntner Kulturgremium. Das alles neben einer regen künstlerischen Tätigkeit, einer Vielzahl von Ausstellungen in Österreich, Italien und Slowenien und der Arbeit als Lehrerin. Und mit zwei Kindern. 

Frank Kropiunik (geb. 1973) ist ausgebildeter Gold- und Silberschmied und bautechnischer Zeichner. In beiden Bereichen hat er gearbeitet, bevor er sich ab 1997 immer stärker künstlerisch betätigte, parallel zum Brotberuf als Bautechniker. Er besuchte die Meisterklasse von Christian Ludwig Attersee an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, die er mit dem Zyklus „Musen“ abschloss. 2005 erhielt er das Förderatelier der Stadt Villach und war in den Folgejahren freischaffend. Heute unterrichtet der akademische Maler und zweifache Vater, der seine Patchworkfamilie zu schätzen weiß, auch an einer Schule: „Von der Kunst finanziell unabhängig zu sein, schafft eine große künstlerische Freiheit. Wenn du lange nur freischaffend tätig bist, kommt fast zwangsläufig irgendwann der Gedanke auf: Wie male ich so, dass ich es gut verkaufen kann? Und wenn du durch das immer Ähnliche einmal eine Marke bist, kommst du da schwer wieder raus.“ 

Kennengelernt haben Tomassetti und Kropiunik einander bei der „Langen Nacht der Museen“ 2007 in Kropiuniks Atelier in Villach „und gleich auf Anhieb eine Stunde miteinander geredet und alle anderen stehengelassen.“ 

Erotik ist ein Thema, das Frank Kropiunik „schon seit Jahren begleitet“. Äußerte sie sich anfangs noch recht gegenständlich, ist sie in neueren Werken eher als Prinzip präsent. Kropiuniks Schwerpunkt liegt derzeit beim Zyklus „Transformation“, in dem Schwarz und Weiß vorherrschen. „Das Ganze wirkt dreidimensional und ist sehr dynamisch. Alles ist in Bewegung, es gibt keinen fixen Zustand. Ein Körper taucht in den nächsten ein, deformiert diesen. Ein neuer Teil entsteht und geht aus dem Körper heraus, wie bei Planeten, die zusammenkrachen. Was mir daran besonders gefällt, ist, von der Entstehung her, die Flüssigkeiten, die ineinander rinnen, ein Universum, das sich formt. Wo Sachen aneinanderstoßen, etwas ausbricht. Und es bleiben Formen stehen, die so nicht wirklich einen Gegenstand ausdrücken, aber dadurch, dass man Formen immer zuordnen kann, doch eine deformierte Hand oder ein deformierter Mond sein könnten.“ 

Das Werk von Larissa Tomassetti bewegt sich seit längerem um den Begriff der Inversion. Sie arbeitet gerne in Serien, etwa „LALINEA“, wo durch abstrakte Ölgemälde eine geometrische Linie gezogen wurde, die dadurch einen Raum entstehen lässt. „Und man weiß dann nicht: Ist das das Meer, eine Landschaft oder ein Schnitt im Bild.“ Tomassetti versucht ihre Gegensatz-Themen wie „Bewegung und Stillstand“ mit verschiedenen Mitteln, hauptsächlich Malerei, Zeichnung und Fotografie, darzustellen. Für manche Projekte setzt sie sie parallel ein, wie bei den „dynamic stills“, mit denen sie 2009 einen geladenen Wettbewerb der Gemeinde Malta gewonnen hat. Aus einem Ölgemälde entnahm sie Streifen und applizierte sie auf eine davor stehende große Glasfläche: „Wenn man vor der Glasfläche steht, kann man das Werk im Gesamten betrachten und wenn man sich bewegt, bewegt sich alles mit. Die Rhythmisierung und Bremsung der Bewegung im Bild erfolgt durch diese Längsstreifen und ist somit die Aufforderung, einmal abzustoppen und zu schauen, was los ist.“ 

Die Serie „Negativzeichnung“ war als Art Hommage an die analoge Fotografie konzipiert. Anstatt ein Negativ fotografisch zu produzieren, hat Tomassetti es gezeichnet. Diese Zeichnung wurde dann Fotoobjekt. Das Publikum geht in der Regel davon aus, dass zuerst das Foto da war, das dann (ab)gezeichnet wurde. Tatsächlich ist es umgekehrt. Hier gibt es neben dem Gegensatz Negativ-Positiv also vor allem auch die Fragestellung nach Original und Reproduktion – „Denn was von beiden ist jetzt das Original, was die Reproduktion? Das Foto, das ich gemacht habe oder das Bild, das ich davor gezeichnet habe? Dazu kommt, dass ich nun ein Foto von einer Sache habe, die vorher noch nicht da war.“ 

Ihre Tätigkeit als Ausstellungsorganisatorin hat Tomassetti mittlerweile reduziert, auch wenn sie etwa (gemeinsam mit Ernst Gradischnig) seit 2009 und voraussichtlich weiterhin die jährliche „trans.form“ kuratiert, die verstorbene und junge Kärntner Künstler/innen gemeinsam präsentiert (2011 z.B. Hans Bischoffshausen, Werner Berg, Hilde Frodl, Iris Kohlweiss, Max Seibald und Maruša Šuštar). 

Vor zwei Jahren haben Tomassetti und Kropiunik begonnen, auch gemeinsam zu arbeiten, aus Neugier und Spaß, meint Tomassetti: „Wir hätten nie gedacht, dass das so gut funktionieren würde, weil unsere Einzelarbeiten völlig unterschiedlich sind“. Am Anfang standen „Narrative Zeichnungen“, wo es darum gegangen ist, erläutert Kropiunik, „dass wir gemeinsam eine Zeichnung machen und uns in kurzen Intervallen – 2 bis 4 Minuten - beim Zeichnen abwechseln. Sobald man merkt, die Symbole und Formen werden jetzt irgendwie gegenständlich, hört man auf und der andere macht weiter. Der kann das dann weiterverfolgen oder abändern – damit unvorhersehbare Zeichnungen entstehen. Ein sehr spannender Nebeneffekt ist: Wenn du alleine zeichnest oder malst, vom Bild weggehst und wiederkommst, ist es unverändert. Durch diese Arbeitsweise hast du jedes Mal eine neue Auseinandersetzung.“ 

Ab 2010 wandten die beiden die Intervall-Methode auch in der Malerei an. Es entstanden und entstehen „Partnergarnelen“ (die es in der Zoologie tatsächlich gibt). Kropiunik: „Das Wort „Partnergarnelen“ ruft bei jedem Menschen irgendein Bild hervor, obwohl es genauso wenig greifbar ist wie der Inhalt der Werke. Die Bilder selbst sind absichtlich titellos, um nichts vorzugeben.“ Tomassetti ergänzt: „Die Arbeit, die wir gemeinsam machen, hat sehr viel mit dem Surrealismus zu tun, weil sie einfach aus dem Unbewussten heraus schöpft. Du siehst eine Form, die der andere vorgibt und du reagierst impulsiv darauf, ohne viel nachzudenken.“ Das Einzige, was besprochen wird, ist, ob/wann ein Bild fertig ist, sagt Kropiunik. „Und fertig ist es für uns dann, wenn es auf der Kippe dazu steht, gegenständlich zu stark ausformuliert zu sein und damit festgelegt. Das Bild soll erahnen lassen, aber nicht ermöglichen, dass jeder sofort dasselbe erkennt. Es geht also um ein Spannungsverhältnis zwischen gegenständlichen Andeutungen und Abstraktion.“ 

Tomassetti und Kropiunik leben in Gmünd, wo sich auch ihr Atelier befindet. Zweimal im Jahr veranstalten sie dort Vernissagen. Durch die großen Glasflächen des Schauraums können Arbeiten jederzeit betrachtet werden, auch wenn die beiden gerade nicht vor Ort sind. Davon wird ausgiebig Gebrauch gemacht, wie Fingertapser an den Scheiben beweisen. „Leute schauen sehr gerne herein und wen es näher interessiert, der ruft einfach an und wir sind binnen einer Stunde dort.“ 

Eva Liegl 

 

 

PG "The birdman's secret / Narziss" 2021